Warum Kondensatoren kein Lottospiel sind (es wird technisch! )

  • Das hier ist ein kleiner Schaltregler, den ich vor Kurzem zu Demonstrationszwecken für einen Kollegen gebaut habe.

    Es handelt sich hierbei um einen Aufwärtswandler, der aus einer kleinen Spannung eine größere erzeugt. Er erreicht Wirkungsgrade von rund 0,9, was doch recht gut ist.

    Er funktioniert mit einer geschaltenen Induktivität (das runde Ding mit der Aufschrift "104") und einem nachgeschalteten Pufferkondensator. Rein rechnerisch müssten es 1500 µF sein, die hatte ich aber nicht da. Also sinds 2x 1000 µF geworden. Das senkt die Brummspannung. Gespeist wird das Ganze hier mit einer Batterie aus Lithiumzellen.

    Der Regler ist ein LM2577T-ADJ und gehört zur "SIMPLE-SWITCHER"-Familie von National Semiconductor.

    Eingangseitig sind mehrere Kapazitäten vorhanden. Zweimal 1000 µF, weil der Kollege ein Schaltnetzteil verwendet und der Regler sonst nen Schluckauf bekommt, einmal 100 nF, der das Schaltverhalten des Reglers verbessert und einmal 100 µF, um auch noch die letzte Unregelmäßigkeit auszumerzen. Antiparallel zur Spannungsquelle liegt eine 1000V-Diode, falls jemand auf die Idee kommt, nen 10m langes Kabel dranzumachen. Das wäre nämlich ne Spule...

    Dann kommt an Pin 1 das Kompensationsnetzwerk, damit ein schönes Rechteck am Schalter von Pin 2 entsteht. Pin 3 ist Masse. Pin 4 ist die Rückkopplung, die mit Hilfe eines Spannungsteilers die Ausgangsspannung festlegt. Pin 5 ist die Stromversorgung. Daran hängt auch die Spule, die durch Selbstinduktion die höhere Ausgangsspannung erzeugt. Die nachfolgende Shottky-Diode lässt den Strom nur in eine Richtung passieren, da beim Abschalten der Spule genau an dieser Stelle das Pluspol ist, im Gegensatz zum Ladezustand. (Lenz'sche Regel; Physik 7. Klasse)

    Danach kommt nochmal ne Diode antiparallel zur Sicherheit, die Puffer-Elkos und dann natürlich die Last.

    Die Eingangsspannung liegt bei etwa 3,9V.

    Die Ausgangsspannung beträgt rund 6,1V. Genaueres Messen zeigt 6,04V. Das Messgerät hat eine kleine Ungenauigkeit.

    Als Last sind zwei dieser Glühlampen parallel geschalten. Das bedeutet eine Last von rund 6W. Bei 6V Spannung bedeutet das einen Strom von 1A.

    Die Schaltfrequenz beträgt rund 51 kHz. Laut Datenblatt schwankt sie zwischen 48 und 52 kHz.

    Kanal eins (gelb) zeigt den Ausgang am Schalter, gemessen gegen Masse und dient als sauberes Triggersignal, um ein stehendes Bild zu erhalten. Kanal 2 (grün) zeigt den Wechselspannungsanteil der Ausgangsspannung. Es gibt somit die Brummspannung an. Wie man hier sieht, beträgt sie rund 40 mV im Mittel. Ihre Form ist rechteckig. (Die Spitzen gleichen sich im Mittel aus und sind daher nicht von Belang)

    Die dafür verwendeten Elkos. Die 10V sind eine Forderung des Datenblatts. 6,3V wären zu knapp und deswegen soll man möglichst die übernächste Spannungsfestigkeit verwenden.

    Wie man sieht, funktioniert die Schaltung perfekt.

    Wie verändert sich das Ausgangssignal, wenn die Kapazität kleiner wird? Probieren wir es aus...

    Hm... Das Taktsignal ist unmerklich breiter geworden. Aber: Was ist mit der Brummspannung passiert? Die ist um rund die Hälfte gestiegen. Das ist auch logisch, denn Pufferkapazität hat sich halbiert und somit muss die ganze Arbeit jetzt nur ein Elko leisten. Der schafft das natürlich durch seine geringere Kapazität nicht.

    Böses Spiel. Die Schaltung funktioniert wohl auch ohne Elkos?

    Äh.. Nein. Wie man sieht, bricht sie Spannung völlig zusammen. Der Schaltregler und die Spule werden heiß. Interessant ist, daß hier Spannungsspitzen von knapp 20V auftreten. Die komplette Regelung versagt völlig.

    Jetzt schauen wir mal, was eine FALSCHE Kapazität für Auswirkungen hat. Zur Verdeutlichung ist der Wert ein wenig übertrieben ;)

    Es funktioniert. Irgendwie. Aber nicht richtig. Die Brummspannung beträgt hier bis zu 2V und man kann schön erkennen, wie der Regler verzweifelt versucht, eine stabile Ausgangsspannung zu erzeugen.

    Natürlich kann man mehrere Elkos gegen einen größeren austauschen, der der Gesamtkapazität der vorherigen Gruppe entspricht.

    Das Ergebnis entspricht in etwa dem Ergebnis mit den zwei 1000ern.

    "Du bist und bleibst a Mensch und du kannst eben net deine menschlichkeit überwinden."

    Dennis_50300

    Einmal editiert, zuletzt von CryptonNite (27. August 2021 um 21:35)

  • Was mir auffällt: (Ich hoffe, ich hab die Scope-Bilder richtig interpretiert)

    Die Signale sehen mit den 2x 1000µF deutlich ruhiger aus und mit dem 2200µF-Kondensator gibts doch noch ziemliche Spitzen im Wechselspannungsanteil. Wenn das also keine Zufallsablichtung ist, ob das dann was mit ESR und I-Ripple zu tun hat? (Sofern die 2 1000er zusammen einen niedrigeren ESR und höheren I-Ripple aufweisen als der einzene 2200er)

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    Wie würde es eigentlich aussehen, wenn du den 2200er gegen einen Poly mit 20% weniger Kapazität, dafür niedrigeren ESR und höheren I-Ripple ersetzt?

    Einmal editiert, zuletzt von bschicht86 (27. August 2021 um 21:51)

  • Wie würde das wohl aussehen? Die Brummspannung würde steigen, weil die Kapazität kleiner ist.

    Die Spitze sollte dem vorherigem Quälen und dem einzelnem Kondensator geschuldet sein.

    Mit der Zeit wird die Diode auch warm und verändert sich somit. Nen bisschen ESR ist aber natürlich mit drin.

    "Du bist und bleibst a Mensch und du kannst eben net deine menschlichkeit überwinden."

    Dennis_50300

    Einmal editiert, zuletzt von CryptonNite (27. August 2021 um 23:28)

  • Das die Signale ruhiger aussehen (und wohl auch sind) ist erklärlich.

    Mehrere kleine Elkos in Parallel haben gegenüber einem gleicher Kapazität den Vorteil des sich verringernden Innenwiderstandes.

    In (wirklich) hochwertigen Linear geregelten (aber auch Switch Mode Netzteilen) findet man das häufig so vor.

    Ich hatte mal ein 65A Linear geregeltes Netzteil für den Amateurfunk. Darin war eine riesen Bank an 1000µF 16V Elkos verbaut. Ist lange her aber es waren um die 30 Stück (!) nur für die 13,8V Rail.

    Und noch eine fette Bank an kleinen Elkos vor der Regeleinheit.

    (Das erklärt auch warum der eine 10 Millifarad Elko für die Audio Endstufe im Kofferraum des Autos Blödsinn ist. Eine flache Box mit vielen kjleineren wäre viel besser aber sieht nicht so geil aus)


    - Backfire -


    PS: CryptonNite
    Super schöne Demo. Danke Dir. :thumbup::)

  • Das stimmt auch. Der ESR wird durch Parallelschalten kleiner, die Spitzen nehmen ab. Die resultierende Brummspannung jedoch bleibt nahezu unverändert. Etwas anderes wäre physikalisch auch nicht zu erwarten. Bei kleinerer Kapazität steigt der Brumm, egal, ob der ESR kleiner oder größer ist.

    Interessant wird es, wenn der Strom in Regionen des ESR sich befindet. Dann ist der ESR das Hindernis und dort wäre ein niedrigerer ESR sinnvoll, wenn mehr Strom abgegeben werden soll.

    Ich muss allerdings noch dazu sagen, daß die Shottky-Diode schon recht warm wird und dadurch auch träger. Das trägt nicht unbedingt zur Sauberkeit des Signals bei. Es müsste eigentlich eine leistungsfähigere rein.

    Der korrekte Aufbau nutzt ne MBR340, die 3A schafft.

    Der suboptimale Aufbau der Schaltung mit blöder Leitungsführung tut der Ausgangsspannung auch nicht gut:topmodel:

    Noch nen Edit:

    Es gibt diese Schaltung auch in ähnlicher Form aus China auf niedlichen, kleinen Leiterplättchen. Davon habe ich eine da. Danke Backfire

    Der Regler ist jedoch ein XL6019, eine Weiterentwicklung des LM2577 aus China. Laut Datenblatt schafft der Schaltkreis bis zu 4A.

    Gleiche Anfangsbedingungen. Rund 3,8V rein und 6,04V raus. Die Spannung lässt sich am Spindeltrimmer einstellen. Auch hier ist eine Last von 1A in Form von zwei Glühlämpchen angeschlossen. Wie man sieht, funktioniert es auf dem ersten Blick.

    Da messe ich doch glatt mal die Schaltfrequenz. Okay, die ist mit 183 kHz rund 3,5-mal höher als die des LM2577. Das sollte kleinere Kapazitäten am Ausgang bei kleiner Brummspannung bedeuten.

    Oh, da ist ja deutlich etwas zu sehen.

    Hier mal reine Wechselspannung. Zur besseren Messbarkeit ist das Signal invertiert, weil die Kante sich besser anlegen lässt.

    Eine Brummspannung von rund 550 mV. Ist ja unterirdisch.

    Rein rechnerisch sollte die Ausgangskapazität von 100 µF einigermaßen passen (es müssten 109,xx sein), um 50 mV Brumm zu erhalten, also eine deutlich stabilere Spannung.

    Was ist hier passiert? Bei näherer Betrachtung fällt die heiße Spule auf. Die kann den Strom nicht liefern, geht in die Sättigung und wird für den Rest der Ladezeit einfach nur nen Drahtwiderstand, der sich erhitzt. Dadurch erhitzt sich auch das Schaltelement (Im Regler integriert). Darum entsteht diese hohe Brummspannung. Die Spule in meinem Wandler schafft um die 4,5A.

    Und was kann man machen? Die einzigen beiden Möglichkeiten sind der Tausch der Spule und das Hinzufügen weiterer Kapazitäten.

    Mal nen 1000er drangelötet. Schon ist die Brummspannung viel kleiner.

    Sie beträgt gemittelt rund 60 mV. Die Spule hat offenbar ein Problem. Wenigstens sind die Spitzen im Mittel null. ESR spielt hier auch eine Rolle.

    "Du bist und bleibst a Mensch und du kannst eben net deine menschlichkeit überwinden."

    Dennis_50300

    3 Mal editiert, zuletzt von CryptonNite (28. August 2021 um 10:23)

  • Mehrere kleine Elkos in Parallel haben gegenüber einem gleicher Kapazität den Vorteil des sich verringernden Innenwiderstandes.

    Genau deswegen hätte mich ein Scopebild eines Polys mit deutlich besseren ESR und halt 20% weniger Kapazität interessiert.

  • Er meint aber nicht "eine große Kapazität gegen eine kleine ersetzen". Er meint "Einen Kondensator gegen mehrere kleinere ersetzen, sodaß die Endkapazität die gleiche ist".

    "Du bist und bleibst a Mensch und du kannst eben net deine menschlichkeit überwinden."

    Dennis_50300