Ich habe gerade ein paar Einträge von CryptoNite im Post RETRO PC Projekte gelesen und mache mir so meine Gedanken.
Interessante emotionale Eruption zum Streitpunkt Original vs. Nachbau. Schade, dass es persönlich wurde, aber der philosophische Kernpunkt bleibt interessant:
In meinen Augen ist ein V56K-Nachbau technisch nahezu gleich dem Original, denn das Herzstück, die VSA100, sind in jedem Falle authentisch. Alles andere ist m.E. nötiges Standardbeiwerk mit winzigen Effekten auf den ein oder anderen Benchmarkpunkt, aber nicht mehr.
Sehr wohl macht es einen Unterschied aus Sammlersicht, denn der Wert der originalen V56K relativiert sich gerade erheblich.
Ich muss unweigerlich an den Millennium Falcon denken (Lego Nr. 10179 vs. 75192): Vor Erscheinen des Nachfolgers war das Ding 4000 Schleifen Wert, danach stürzte der Preis auf 500 ab. Das kann sehr deprimierend sein und ist wohlmöglich auch der Zündstoff für persönliches Unwohlsein eines Sammlers, der Wert auf den Wert legt.
Aber entthronen wir damit gerade die "Gôttin" oder erheben wir sie endlich zu dem, was sie immer werden sollte: eine Frau des Volkes mit vier Herzen in neuem Gewand und Serienreife für alle, die das nötige Manufaktur-Kleingeld haben?
Ich finde es Klasse. Es haucht dieser Plattform nach ewig wirkender Stagnation ein faszinierendes, neues Leben ein. All diese reverse engineered Retro-Karten. Ist das nicht einfach nur eine grandiose Ehrwürdigung? Wer hätte es für möglich gehalten, dass diese Niesche nach 21 Jahren ein solches Revival und sogar Verbesserungen durch ein paar Enthusiasten aus Spanien und Russland und der ganzen Welt erfährt, die über altbackene Internetforen vernetzt sind wie Eckkneipenbesucher auf ihrem Stammplatz?
Der Nachbau ist eigentlich viel mehr als das Original. Es ist das Resultat aus zwei Dekaden Faszination. Und die ist echt, echter als der klägliche Versuch von 3dfx im Jahre 2000 den Markt durch schiere SLI-Multicore-Gewalt einzuholen, der mit einfachem Herzen hoffnungslos voraus war.
Mein Fazit: Wir reden erstaunlich viel von Religion hier. Und aus dem Blickwinkel heraus betrachtet meine ich: Göttinnen dürfen sich weiterentwickeln, sonst sind sie bald entmachtete Herrscherinnen eines sich langsam entfremdenden Religionskultes. Die Frage Original vs. Nachbau ist möglicherweise sehr von der Angst geprägt, den eigenen Wert in einer scheidenden Weltordnung zu Gunsten der Allgemeinheit einbüßen zu müssen, so wie vor 500 Jahren vielleicht: Katholisch vs. Evangelisch.
Und Benchmark? Wurscht. GAT hat vor 100 Jahren den ultimativen Benchmark bereits erbracht.
Die Karte ist säkular betrachtet obsoleter Edelschrott.
Was meint ihr?